Das Grundstück unterhalb des Franziskanerklosters hatte die Stadt Füssen 2019 gekauft, um dort ein Wohnbauprojekt zu realisieren. Das Projekt wurde gestoppt, nun will die Kommune einen Teil der Fläche veräußern.
Die Stadt Füssen hat bislang 715.000 Euro für gestopptes Projekt ausgegeben. Bei der Bürgerfragestunde kritisieren Füssener das zum Teil heftig. Was die Stadtspitze dazu sagt.
Bezahlbarer Wohnraum ist in Füssen Mangelware. Daher wollte die Stadt ihn unterhalb des Franziskanerklosters schaffen. Ein Grundstück in der Floßergasse wurde gekauft, ein Architekturwettbewerb fand statt, erste Planungen wurden in Auftrag gegeben. Und jetzt? Das Projekt ist gestoppt, die Stadt will nun einen Teil des Grundstücks verkaufen (wir berichteten bereits kurz) . Trotzdem würde die Kommune auf einem Teil der bislang entstanden Kosten sitzen bleiben. Das nervte nicht nur einige Stadträte: „Welche Denkfehler sind hier in der Vergangenheit gemacht worden?“, wollte auch Reinhard Thurnhofer in der Bürgerfragestunde des Stadtrates wissen.
Thurnhofer nutzt die Fragestunde immer wieder, um auf Missstände hinzuweisen. Und um einen solchen Missstand handelt es sich aus seiner Sicht beim Projekt Floßergasse, das von Anfang an von Denkfehlern begleitet gewesen wäre. Der erste Denkfehler sei bereits der Kauf des Grundstücks gewesen, der zweite Denkfehler sei der Glaube gewesen, dass man dieses Areal einfach so bebauen könne. Unterm Strich drohe ein „Riesenverlustgeschäft für die Stadt“, da sich wahrscheinlich kein Käufer finde, befürchtete Thurnhofer.
Keineswegs von Denkfehlern wollte Bürgermeister Maximilian Eichstetter (CSU) bei diesen Vorgängen sprechen, die vor seiner Amtszeit passiert sind. Die Stadt habe sich 2019 ein Grundstück in zentraler Lage gesichert, um zwei Ziele zu erreichen: Zum einen, um den geschützten Hangbereich von einer Bebauung freizuhalten. Zum anderen, um im anderen Teil des Grundstücks bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Und dafür habe man seinerzeit einen „normalen Preis“ bezahlt. Was damals nicht klar war: Aufgrund der explodierenden Baukosten bei gleichzeitig extremer Schieflage der städtischen Finanzen mussten die Kommunalpolitiker im Zuge der Haushaltskonsolidierung dieses Projekt Ende 2021 einstellen.
Vertrag mit Rücktrittsrecht?
Was Harald Vauk zu einer Wortmeldung in der Bürgerfragestunde veranlasste: Habe sich die Stadt Füssen im Kaufvertrag für das Grundstück kein Rücktrittsrecht einräumen lassen, sollte die geplante Bebauung scheitern? Und werde Füssen in Zukunft auf ein solches Rücktrittsrecht in Verträgen achten, damit die Bürgerschaft nicht auf den Kosten sitzen bleibe?
Die Stadt habe Verträge mit und ohne Rücktrittsrecht, sagte Bürgermeister Eichstetter dazu. Denn es gebe auch Eigentümer, die ihre Fläche nur dann verkaufen, wenn kein Rücktrittsrecht vereinbart wird. Als Wunschgedanken stufte Eichstetter daher Vauks Vorschlag ein. „In der Praxis ist er nie voll und umfänglich darstellbar.“ In einem Schreiben an unsere Zeitung verweist Jürgen Brecht indes darauf, dass sich jeder private Investor „für ein (absehbar) so schwieriges Grundstück“ lediglich ein Vorkaufsrecht hätte geben lassen. Das sei auch vor rund zehn Jahren so gewesen, als ein Unternehmer einen Bebauungsplan für diese Fläche initiierte. Als das Baurecht nicht wie geplant kam, sei der Vorvertrag verfallen und das Grundstück sei bei der Eigentümerfamilie verblieben, die es später der Stadt verkaufte.
Als der Stadtrat nach der Bürgerfragestunde über den Verkauf eines Teils des Grundstücks debattierte, setzte Dr. Christoph Böhm (CSU) die Denkfehler-Debatte fort: „Den Fehler hat der letzte Bürgermeister gemacht.“ Der Kauf hätte nie zustande kommen dürfen: Denn vor einem Bau müsse man den Boden austauschen, sagte Böhm. Zudem verwies er auf eine Reihe anderer Probleme, die jetzt auch einen Verkauf erschweren würden. Das kam bei Dr. Martin Metzger (Bürger für Füssen) und Thomas Scheibel (FWF) nicht gut an: Sie monierten, dass Böhm das Grundstück schlecht rede. Er wolle nicht als „Nestbeschmutzer“ da stehen, sagte Böhm dazu. Und er verwies darauf, dass Bürgermeister Eichstetter dieses problematische Projekt von seinem Vorgänger übernommen habe. Könne man den dafür nicht in Haftung nehmen? Hier meldete sich Hauptamtsleiter Peter Hartl zu Wort: Der Vorschlag für den Ankauf der Fläche sei seinerzeit „von der Verwaltung gekommen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“. Der Kauf und anschließend das Projekt wurden schließlich durch mehrere Beschlüsse des Stadtrates ermöglicht. Das Projekt sei gestorben, weil sich die Baukosten inzwischen verdoppelt hätten: „Das ist das Problem, weil somit kein bezahlbarer Wohnraum möglich ist.“ Und das für längere Zeit, wie Bürgermeister Eichstetter erklärte: „Wir wissen, dass wir dort die nächsten zehn, 15 Jahre nichts bauen können.“ Deshalb gehe es nun darum, dieses Grundstück im Rahmen des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und im Interesse der Haushaltskonsolidierung zu verwerten, heißt es in der Verwaltungsvorlage. Und weiter: „Dazu wird dringend vorgeschlagen, dieses Grundstück nach Möglichkeit zu veräußern.“
Wie berichtet, wurde ein Beschluss dazu aber vertagt: Auf Antrag von Christine Fröhlich (FWF) sprach sich der Stadtrat mehrheitlich dafür aus, über einen Verkauf erst in einer Klausurtagung im Mai zu sprechen. Dann geht es um die künftige Haushaltskonsolidierung und dabei auch um ein Konzept für alle städtischen Grundstücke.
Zahlen und Fakten
Bisherige Kosten: Für den Grunderwerb (samt Nebenkosten) des Grundstücks an der Floßergasse, für den Realisierungswettbewerb und die Bauentwurfsplanung sind bislang Kosten in Höhe von 715.000 Euro aufgelaufen. Sollte die Stadt Füssen die staatlichen Zuwendungen für den Realisierungswettbewerb noch zurückzahlen müssen, weil das Projekt nicht weiter verfolgt wird, kämen 49.000 Euro dazu.
Größe: Das Grundstück hat eine Größe von 1936 Quadratmetern, davon sollen 625 Quadratmeter verkauft werden. Die restlichen 1300 Quadratmeter entfallen auf die Hangfläche zum Franziskanerkloster, die aus städtebaulichen und denkmalschutzfachlichen Gründen von einer Bebauung freizuhalten ist. Sie will die Stadt weiterbehalten. Matthias Friedl (Füssen-Land) schlug vor, zumindest einen Teil des Hangbereichs ebenfalls mit zum Verkauf anzubieten, um einen höheren Ertrag zu erzielen. Wenn man einen Interessenten zur Hand habe, könne man darüber mit ihm reden, sagte Bürgermeister Maximilian Eichstetter (CSU) dazu.
Quadratmeterpreis: Nach kurzer Debatte legte der Stadtrat den Quadratmeterpreis für den zu verkaufenden Teil des Grundstücks auf mindestens 700 Euro fest. Bei 625 Quadratmetern wären das also 437.500 Euro.
Bericht: Heinz Sturm, AZ Füssen
Foto: Benedikt Siegert, AZ Füssen
Wir danken der AZ Füssen für die freundliche Überlassung des Beitrages.
Kommentar
Es gab gute Gründe dafür
von Heinz Sturm
Wenn eine Stadt in einer so extremen finanziellen Schieflage ist wie Füssen, ist es verständlich, dass über ein gescheitertes, aber dennoch Kosten verursachendes Projekt geschimpft wird. So auch bei den mittlerweile eingestampften Plänen für eine städtische Wohnanlage in der Floßergasse.
Allerdings darf man nicht vergessen, warum dieses Projekt vorangetrieben wurde: Zum einen wollte man so auch die über viele Jahre immer wieder auftauchenden Pläne für eine überdimensionierte Bebauung von privater Seite endgültig beerdigen. Zum anderen wollte man in Füssen dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum schaffen. Das wäre möglich gewesen, da man Fördermittel aus dem Kommunalen Wohnraumförderprogramm des Freistaates erhalten hätte – auch für den Kauf des Grundstücks. Das zeigt: So verkehrt war dieses Projekt nicht – deshalb wurde es seinerzeit von einer sehr großen Mehrheit im Stadtrat unterstützt. Dass die Baupreise so explodieren würden, dass an der Floßergasse auf absehbare Zeit kein bezahlbarer Wohnraum mehr gebaut werden kann, war 2019 nicht absehbar. Es gab gute Gründe für das Projekt, das auch heute noch wünschenswert wäre – aber eben nicht mehr finanzierbar ist.
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