Neue Häuser bauen oder lediglich sanieren? Im Stadtrat ist erneut die Debatte um die städtischen Liegenschaften in der Ziegelwies aufgeflammt.

Überraschende Wende im Stadtrat: Eine Nachverdichtung in der Ziegelwies ist doch wieder Thema

Eigentlich war die Idee, in der Ziegelwies durch den Bau neuer Häuser bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, gestorben und sollte in der vergangenen Woche vom Stadtrat endgültig beerdigt werden. Stattdessen aber erlebte die Debatte eine unerwartete Wiederauferstehung.

Nun wollen Stadtverwaltung und Fraktionen in den kommenden Wochen noch einmal in sich gehen und darüber nachdenken, wie es in dem Stadtteil weiter gehen soll und welcher Investor womöglich ins Boot geholt werden kann.

Noch im Herbst war klar: In der Ziegelwies sollen nicht nur die städtischen Immobilien saniert und in drei Fällen durch Anbauten auch vergrößert werden. Um zusätzlichen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sollten darüber hinaus drei neue viergeschossige Häuser auf dem städtischen Areal Ziegelwiesstraße 2 bis 16 sowie eine Tiefgarage gebaut werden – ein klassischer Fall von „Nachverdichtung“. Nach anhaltender Kritik aus Teilen der Anwohnerschaft und des Stadtrates und vor dem Hintergrund leerer Kassen beschloss das Stadtparlament im Dezember aber grundsätzlich das Aus für das Neubau-Vorhaben (der Kreisbote berichtete).

Offiziell per Beschluss zu den Akten gelegt werden sollte das Thema in der Sitzung am Dienstagabend vergangener Woche. „Die Verwaltung wird ermächtigt, den Beschluss und bereits getätigte Vorgänge rückabzuwickeln“, hieß es dazu in der Beschlussvorlage der Stadtverwaltung. Auch die einst geplanten Anbauten sollten jetzt ersatzlos gestrichen werden.

Stattdessen sollten die Ratsmitglieder die Verwaltung damit beauftragen, ein Sanierungskonzept für die vorhandenen Häuser auszuarbeiten. „Wir wollen uns von Haus zu Haus lang hangeln“, erklärte dazu Bürgermeister Maximilian Eichstetter (CSU). Ziel müsse sein, jedes Jahr eines der Gebäude auf Vordermann zu bringen. Gedanken müsse man sich aber noch über die Heizungen machen, denn eine Gasheizung sei den Mietern angesichts der momentanen Kosten für Gas nicht zumutbar, sinnierte der Rathauschef. Dabei baue er auf die Umwelt- und Energieprofis im Stadtrat sowie den Umweltbeirat. Doch womöglich wird alles anders kommen.

Gespräche laufen

Es war Erich Nieberle von der SPD, der das Fass wieder aufmachte. „Wir brauchen wesentlich mehr Mietwohnungen“, sagte er und regte an, mit Siedlungswerk oder BSG Allgäu die Möglichkeiten dafür im Stadtteil Ziegelwies auszuloten. Das sei bereits geschehen, entgegnete Eichstetter dem Sozialdemokraten. Demnach hätte die BSG aus Kempten zwar tatsächlich Interesse an dem Projekt gehabt, habe aber beim Thema Tiefgarage sofort abgewunken. Nur ohne eine solche und ein Überlassen der Fläche quasi zum Nulltarif sei mit den derzeitigen Baupreisen eine Miete von unter zehn Euro pro Quadratmeter machbar, habe es vonseiten der Kemptener geheißen. „Die Gespräche sind zwar noch nicht beendet, aber mit Tiefgarage geht das nicht“, so Eichstetter.

Auch den klassischen Sozialwohnungsbau habe die Kemptener Baugenossenschaft in der Ziegelwies ausgeschlossen, teilte der Rathauschef auf Nachhaken von Christine Fröhlich von den Freien Wählern (FW) mit.

Damit wollten sich aber weder Jürgen Doser (FW) noch Niko Schulte von Füssen-Land zufrieden geben, womit die Debatte Fahrt aufnahm. Doser deutete an, dass es sicherlich möglich sei, sich mit der BSG zu einigen: „Es gibt schon gewisse Kopplungsgeschäfte“, meinte er und verwies auf das Baugebiet Weidach. Schulte kritisierte, dass mit zweierlei Maß gemessen werde. „Wieso soll ich als Privater nachverdichten, aber die Stadt selbst macht es nicht?“, fragte er. „Zusagen: wir verdichten nicht und auf die Tiefgarage verzichten wir auch, ist mir zu kurz gesprungen“, schimpfte er und forderte ein Gesamtkonzept.

Stadtrat in der Pflicht

Auch SPD-Frau Ilona Deckwerth appellierte, die Türe für eine Nachverdichtung offen zu lassen. „Wir brauchen diese Wohnungen“, betonte sie. Durch eventuelle neue Förderprogramme der neuen Bundesregierung könnten sich demnächst ganz andere finanzielle Möglichkeiten auftun.

Auf die Verantwortung des Gremiums in der Sache verwies Hauptamtsleiter Peter Hartl. „Ihr müsst entscheiden: Wollt Ihr nachverdichten oder nicht!“, mahnte der in Richtung der Räte. Einigen müsste sich das Gremium allerdings in den nächsten beiden Monaten. Eine klare Linie des Stadtparlaments in der Sache forderten auch Christoph Weisenbach (CSU) und Doser. „Wir sollten mal strategische Stadtplanung betreiben“, appellierte Letzterer. Und Bürgermeister Eichstetter verwies darauf, dass das Projekt auch deshalb gestoppt worden sei, weil die Pläne aus den Reihen des Stadtrats kritisiert worden seien.

Zu diesen Kritikern gehört seit eh und je UBL-Stadtrat Magnus Peresson, der auch in der vergangenen Woche keinen Zweifel an seiner Meinung ließ. Er sei fassungslos, sagte er mit Blick auf die wieder los getretene Diskussion. Das Ergebnis des Planungswettbewerbs sei einfach schlecht gewesen. Bei der Ziegelwies handle es sich um eine historisch und städtebaulich „einmalige Gartensiedlung“. „Es gibt Werte, die kann man nicht in Euro wiegen.“

Zu den Kritikern der ersten Stunde gehört auch Dr. Christoph Böhm (CSU), der Bürgermeister Eichstetter „großen Respekt“ für seine Entscheidung zollte, die Nachverdichtung nicht weiter verfolgen zu wollen. Er rechnete vor, dass eine Tiefgarage unbedingt vorhanden sein müsse. Diese wolle die BSG aber nicht bauen. „Aus der Konnexität der Fakten hat sich das also schon erledigt.“

Ferner plädierte der CSU-Stadtrat für eine maßvolle Sanierung. „Die Wohnungen sind nicht schlecht beinand, sie sind auf einem bescheidenen Niveau. Aber das ist der soziale Wohnungsbau.“ Die von der SPD geforderte Nachverdichtung führe hingegen zu einer Ghettoisierung des Viertels. „Das wäre die Aktion Dixiklo im Petersdom.“

Bericht: Matthias Matz, KB Füssen
Foto: Katharina Knoll, KB Füssen

Wir danken dem Kreisbote Füssen für die freundliche Überlassung des Beitrages.