Der Mega-Brocken bei den anstehenden Investitionen: Sanierung, Erweiterung und Umbau der Grund- und der Mittelschule könnten in den kommenden Jahren insgesamt 60 Millionen Euro kosten. Bürgermeister Maximilian Eichstetter prüft nun Einsparpotenziale.

Füssens Finanzlage ist in einer extremen Schieflage. Innerhalb von vier Jahren wird sich der Schuldenstand wahrscheinlich mehr als verdoppeln. Was der Stadtrat jetzt zu tun hat und warum der Bürgermeister optimistisch ist.

Die aktuelle Finanzlage der Stadt Füssen ist katastrophal und sie wird nicht besser. Ganz im Gegenteil: Obwohl bereits viele Projekte gestrichen oder in die ferne Zukunft verschoben wurden, wird sich der gesamte Schuldenstand von 48,5 Millionen Euro (Ende 2021) bis Ende 2025 mehr als verdoppeln. Dann wird die Kommune voraussichtlich mit 102,4 Millionen Euro in der Kreide stehen. Vor diesem Hintergrund fand die Haushaltsdebatte im Füssener Stadtrat statt, gespickt mit vielen kritischen Anmerkungen. Doch mit den Stimmen der CSU, der Grünen, Bürger für Füssen und Teilen von Füssen-Land fand sich eine Mehrheit für den Etat. Die Zeit drängt auch: Denn die Stadt steuert auf die Zahlungsunfähigkeit zu, nachdem ihr Haushaltsplan 2021 nicht genehmigt wurde (wir berichteten mehrfach ). Die Kommune finanziert sich über teure Kassenkredite, deren Rahmen von über 15 Millionen Euro bald ausgeschöpft ist. Erst, wenn der Etat 2022 genehmigt ist, können diese Kassenkredite durch günstigere Kredite mit längerer Laufzeit abgelöst werden.

Weil die Zeit so drängt, hatte die SPD-Fraktion mit ihrem Antrag auf Verschiebung der Haushaltsberatung keine Chance: Sie verwies darauf, dass die Tagesordnung mit zu vielen Punkt gespickt sei, so dass man den Etat nicht detailliert besprechen könne. Zudem sei es befremdlich, bereits jetzt über den Etat abzustimmen, wenn für diesen Freitag eine Klausurtagung des Stadtrats zur Haushaltskonsolidierung angesetzt worden sei. Ohne Debatte lehnte das Kommunalparlament mehrheitlich ab.

So konnten die Haushaltsberatung beginnen. Seitens der Verwaltung wurde die Situation keineswegs beschönigt, Hauptamtsleiter Peter Hartl sprach Klartext. Schon jetzt erwirtschaftet die Stadt im Verwaltungshaushalt – über den der laufende Betrieb finanziert wird – keinen ausreichend hohen Überschuss, um den Schuldendienst begleichen zu können. Das heißt: „Wir finanzieren Tilgungsleistungen mit neuen Kreditaufnahmen“, sagte Hartl. Also werden mit neuen Schulden alte Schulden zurückgezahlt – eine Spirale der weiteren Verschuldung. Und das wird auch die nächsten Jahre so bleiben. Auch, weil der Schuldendienst (also Zinszahlungen und ordentliche Tilgungen) immer umfangreicher wird: In diesem Jahr beläuft er sich auf über 2,9 Millionen Euro, bereits 2025 wird er bei 5,1 Millionen Euro liegen. Nicht nur aus diesem Grund ist festzuhalten, dass der finanzielle Spielraum der Stadt Füssen gleich Null ist. „Die dauernde Leistungsfähigkeit der Stadt Füssen ist aktuell nicht im Ansatz gegeben“, heißt es im Vorbericht zum Haushaltsplan. Hartl sprach von „düsteren Zahlen“.

Was also tun? Die Stadt wird alle ihre freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand stellen. Auch müsse man den Zuschussbedarf bei den öffentlichen Einrichtungen angehen, sagte Hartl. „Wir haben fast überall Defizite“, die müsse man zumindest deutlich senken. In den kommenden Sitzungen müssten die Kommunalpolitiker klären, an welchen Stellschrauben man drehen kann, um auf Dauer wieder finanzielle Spielräume zu gewinnen. Das werde „kein Honigschlecken“, kündigte der Hauptamtsleiter an.

Trotz der schwierigen Lage versuchte Bürgermeister Maximilian Eichstetter, so etwas wie Optimismus zu verbreiten: Der Stadtrat habe in den zurückliegenden fast zwei Jahren mit wenigen Haushaltsmitteln viel erreicht – obwohl man mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie und nun des Ukraine-Kriegs zu kämpfen habe. „Wir wussten alle, dass teilweise Leichen in den Schubladen liegen“, sagte der Bürgermeister. Man habe sie bewusst rausgeholt, jetzt habe man die einmalige Gelegenheit, in den kommenden Jahren einen transparenten Haushalt aufzustellen. Er erinnerte auch daran, dass in den Jahren 2018 bis 2020 – also vor seiner Amtszeit – Projekte im Umfang von 100 Millionen Euro beschlossen wurden, die man abarbeiten müsse.

„Es werden mindestens sechs bis acht Jahre sein, die extrem mühsam werden“, sagte Eichstetter. Doch dürfe man davor nicht zurückschrecken, sondern müsse jetzt die Ärmel hochkrempeln, um die Schieflage zu beheben. Er sei optimistisch, dass dies gelinge, wenn der Stadtrat mitziehe. „Wir brauchen Beständigkeit, Zusammenhalt, ganz klare Ziele und Vertrauen“, gab der Rathaus-Chef die Grundlagen vor.

Welche Investitionen hohe Priorität haben

Die Stadt Füssen hat sich bereits von vielen Vorhaben verabschiedet, die früher einmal vorgesehen waren, wie die Wohnanlage in der Floßergasse. Dennoch müssen noch etliche Projekte angepackt werden, die mit hohen Kosten verbunden sind.

Das „absolute Großprojekt“ sind nicht nur für Bürgermeister Maximilian Eichstetter die Schulen. Umbau, Sanierung und Erweiterung der Grund- und der Mittelschule sollen in diesem Jahr starten. Insgesamt wird das Projekt wohl bis an die 60 Millionen Euro kosten. Doch prüft die Stadtverwaltung, wie die Kosten gedrückt werden können, „ohne an der Qualität für die Schüler zu sparen“, sagte der Rathaus-Chef. Er denkt daran, die geplante Tiefgarage komplett zu streichen. Stattdessen könnte die Bürgermeister-Wallner-Straße zur Einbahnstraße umfunktioniert werden, um dort Schrägstellplätze für Pkw von Lehrern anzubieten. Der Bürgermeister erhofft sich durch solche Streichungen eine millionenschwere Entlastung. Auch die Unterhaltskosten der Schulen will man deutlich reduzieren.

In den Folgejahren fließen zudem Millionenbeträge in Kindertagesstätten : Der Ersatzbau für St. Gabriel wird mit zehn Millionen Euro veranschlagt, der Neubau bei den Wertachtal Werkstätten mit fünf Millionen.

Abgeschlossen werden sollen in diesem Jahr die Arbeiten am Sport- und Freizeitpark Weidach , die Restkosten belaufen sich auf eine Million Euro.

Einen Betrag von gut zehn Millionen Euro will die Stadt Füssen für neue Baugebiete zur Verfügung stellen, sagte Hauptamtsleiter Peter Hartl. Dadurch werde der Etat nur vorübergehend belastet, da mit deutlichen Mehreinnahmen zu rechnen sei. Wie berichtet, sollen im Weidach 120 Wohneinheiten entstehen, in Weißensee wird ein Baugebiet Pitzfeld mit 40 Baugrundstücken ausgewiesen. Auch neue Gewerbeflächen sollen entstehen, sagte Bürgermeister Eichstetter.

Weiterhin hohe Priorität haben laut Hauptamtsleiter Hartl folgende Investitionen: Der Breitbandausbau (8,2 Millionen Euro) soll in zwei, drei Jahren angepackt werden. Und wie seit vielen Jahren bekannt stehen viele Sanierungen bei den Liegenschaften und der Infrastruktur (Abwasser, Wasser, Straßen) an. Allein bei den 70 städtischen Immobilien gebe es aktuell einen Sanierungsstau von 17 bis 18 Millionen Euro, sagte Bürgermeister Eichstetter.

Diese Kröte muss man schlucken

Wolfgang Bader

„Zufrieden sein können wir mit diesem Haushalt nicht, aber diese Kröte müssen wir schlucken“, sagt Wolfgang Bader für die Fraktion Grüne/Bürger für Füssen. Es wäre auch müßig, einzelne Projekte zu diskutieren: „Denn alle Vorhaben, die wir jetzt zurücknehmen, hat dieses Gremium im demokratischen Prozess mit mehr oder weniger großen Mehrheiten beschlossen.“ Bader forderte, die freiwilligen Leistungen zu überprüfen, um künftig die Pflichtaufgaben bewältigen zu können – selbst wenn dies „uns Sympathien in der Öffentlichkeit kosten wird“. Unter dem Vorbehalt der weiteren Konsolidierung der Finanzen stimme seine Fraktion dem Etat zu. Zuletzt bat er den künftigen Kämmerer Thomas Klöpf: „Bitte mischen Sie sich ein, seien Sie ein Mahner, der uns einbremst, wenn kein Geld da ist.“

Erster Schritt auf steinigem Weg

Peter Hartung

„Vielleicht gibt es schönere Zeiten, aber diese ist die unsere, packen wir es an.“ Frei nach Sartre bewertete Peter Hartung für die CSU-Fraktion das Zahlenwerk. Der Stadtrat stehe in der Verantwortung, die begonnenen Strategien und Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung „konsequent und ausdauernd“ zu verfolgen. Die Zustimmung zum Etat 2022 sei „der erste Schritt auf diesem sicher steinigen Weg, um die Handlungsfähigkeit unserer Stadt zeitnah herzustellen und in der Folge langfristig zu sichern“. Um die Einnahmen der Kommune zu verbessern, müsse man konsequent die Entwicklung und Veräußerung von Wohnbau- und Gewerbeflächen weiterverfolgen, forderte Hartung für die CSU. Auch der städtischen Immobilienbestand müsse „gegebenenfalls als Deckungsreserve dienen“.

Verwaltungs-Etat zu kurz gekommen

Niko Schulte

Bei den Beratungen sei der Verwaltungshaushalt „viel zu kurz gekommen“, kritisierte Niko Schulte (Füssen-Land). Es könne nicht sein, dass in diesem 34-Millionen-Euro-Etat, über den der laufende Betrieb der Stadt finanziert wird, nur ein Überschuss von 1,5 Millionen Euro erzielt wird – der bei weitem nicht ausreicht, um den Schuldendienst zu finanzieren. Auch zu den Investitionen hatte Schulte kritische Anmerkungen: „Wir haben in den vergangenen zwei Jahren viele Projekte angestoßen, ohne die alten Probleme aufzuarbeiten.“ Jetzt werde ein Projekt nach dem anderen eingestampft. Füssen-Land habe sich intensiv mit dem Haushaltsplan beschäftigt, letztlich komme die Fraktion aber zu keinem einheitlichen Ergebnis: So gab es zustimmende und ablehnende Stimmen zum Etat.

Eine desaströse Entwicklung

Dr. Anni Derday

Gegen den Etat sprach sich die Fraktion der Freien Wähler/UBL aus: Damit wolle man ein Zeichen dafür setzen, „künftig ein Prozedere für eine angemessene Auseinandersetzung mit dem Haushalt zu gewährleisten“, sagte Dr. Anni Derday. Die Beratungen hätten unter großem Zeitdruck gestanden, da die Stadt viel zu spät die Haushaltskonsolidierung angepackt habe. Zudem forderte sie, „ernsthaft noch schärfere Sparmaßnahmen zu ergreifen“. Bei Projekten wie Schulen und Kitas müsse das Motto gelten: „Funktion ja – Luxus nein“. Der vorliegende Etat sei für ihre Fraktion „der Grundstock für eine – im Ausmaß noch nie da gewesene – desaströse Entwicklung der finanziellen Situation auf Jahre hinaus, die die Stadtentwicklung auch noch in der nächsten Generation stark einschränken wird.“

Eine Reduktion auf das Wesentliche

Ilona Deckwerth

Die SPD-Fraktion hatte bereits 2021 den Etat abgelehnt – durch das Landratsamt, das ebenfalls die Zustimmung verweigerte, sieht man sich bestätigt, sagte Ilona Deckwerth. Auch 2022 kann die SPD den vorgelegten Etat nicht mittragen. Zum einen, weil für politische Debatten zu einzelnen Punkten nicht ausreichend Zeit vorhanden war. Zudem folge die von der SPD angemahnte Klausurtagung zur Haushaltskonsolidierung erst nach Verabschiedung des Etats. Andersherum wäre es sinnvoller. Man habe bislang nur wenig gespart, da es sich bei den gestrichenen Vorhaben um „reine Luxusprojekte“ handele. Deckwerth forderte „eine Reduktion auf das Wesentliche, damit die Maßnahmen finanziell bewältigt werden können“. Auch brachte sie erneut „eine moderate Erhöhung der Gewerbesteuer“ ins Spiel.

Bericht: Heinz Sturm, AZ Füssen
Titelbild: Benedikt Siegert, AZ Füssen

Wir danken der AZ Füssen für die freundliche Überlassung des Beitrages.