Im Füssener Stadtrat entbrennt eine hitzige Debatte: Ilona Deckwerth wirft ihren Kollegen mangelnde Ernsthaftigkeit und eine Verletzung des Amtseids vor. Auslöser ist ein Streit um die Konsolidierung der Finanzen.

Alles sah nach einer harmonischen Sitzung aus. Doch nach zweieinhalb Stunden gesitteter Debatte flogen im Füssener Stadtrat noch richtig die Fetzen. Es ging um Vorberatungen zum Haushalt. Und Auslöser war ein Statement von SPD-Stadträtin Ilona Deckwerth. Sie hatte nicht näher benannten Kollegen im Gremium vorgeworfen, ihren Amtseid zu verletzen, indem sie Einzelinteressen bei manchen Entscheidungen über das Allgemeinwohl stellen. Außerdem bemängelte sie, einige der Gremiumsmitglieder hätten das Zahlenwerk überhaupt nicht eingehender studiert. „Die Mühe des Lesens eines Haushalts muss sich ein jeder unterziehen“, sagte Deckwerth. Und setzte im Zusammenhang mit dem Sparzwang der Kommune noch einen drauf: „Ich vermisse hier bei manchen die Ernsthaftigkeit in der Debatte.“

Was auf diesen verbalen Rundumschlag folgte, waren empörte Reaktionen der anderen Fraktionen. So meinte etwa Peter Hartung (CSU) in Richtung der Genossin: „Sobald es zu Themen kommt, die Ihnen wichtig sind, spielt Geld keine Rolle mehr.“ Hartung bemängelte dabei implizit das Vorgehen der SPD-Fraktion, hinter verschlossenen Türen Kostenkürzungen zuzustimmen, um sie anschließend öffentlich wieder zu zerreden. „Wir verlassen hier sehr häufig die Straße eines stringenten Handelns“, sagte Hartung. Noch mehr auf die Palme brachte ihn Deckwerths Vorstoß, zur Konsolidierung der maroden Stadtfinanzen die Gewerbesteuer zu erhöhen. „Das ist dermaßen daneben“, sagte Hartung und verwies dabei auf die Tatsache, dass Füssen sich seit Jahrzehnten in einem harten Wettbewerb mit Umlandgemeinden um die raren Betriebe befinde. Die Rechnung, mit einem höheren Gewerbesteuerhebesatz automatisch mehr Geld für die Stadt Füssen zu generieren, gehe nicht auf.

Noch härter auf den Putz haute Thomas Scheibel (Freie Wähler). „Ich muss jetzt meinen Großvater zitieren“, sagte er. „Das Einzige, was die SPD vom Geld versteht, ist, dass sie es von anderen haben will.“ Auch Scheibel erinnerte daran, dass die SPD fast gegen jede Kürzung gewesen sei, als es um Zuschüsse an Vereine und damit freiwillige Leistungen der Stadt gegangen sei. Deckwerth verteidigte sich damit, die Anhebung der Gewerbesteuer würde das Fünffache der Einsparungen bedeuten. „Da finde ich, dass man sich das viel eher ansehen muss.“

Doch auch Niko Schulte (Füssen-Land) sah das anders. Er sagte: „Frau Deckwerth, geht’s eigentlich noch?“ Ihren Vorwurf, andere Gremiumsmitglieder hätten den Haushalt nicht gelesen, empfand er als anmaßend. Als exemplarisch nannte er eine Äußerung der Genossin, als es um eine mögliche Erhöhung der Grundsteuer ging. „Da haben Sie ja auch gefordert, man solle regeln, dass die Vermieter das nicht auf die Mieter umlegen dürfen.“ Ein Vorstoß, der fernab der Realität liege.

Bürgermeister Maximilian Eichstetter (CSU) erklärte, die Verwaltung setze statt einer Gewerbesteuererhöhung auf die Ansiedelung neuer Betriebe. Dies gestalte sich jedoch angesichts der Corona-Pandemie als nicht ganz einfach.

„Außerdem fehlt es uns an Grundstücken, wenn die Leute mit Preisvorstellungen von 140 Euro pro Quadratmeter und mehr für unerschlossene, unbeplante Flächen auf uns zukommen“, sagte der Rathaus-Chef. Selbst wenn ein Betrieb dann in Füssen neu baut, sei erst in zehn Jahren mit Steuereinnahmen zu rechnen. „Vorher schreibt die Firma alles an Steuern ab“, sagte Eichstetter. Dem diese Praxis aus seiner Zeit in der freien Wirtschaft noch allzu bekannt sein dürfte.

Bericht: Benedikt Siegert, AZ Füssen

Wir danken der AZ Füssen für die freundliche Überlassung des Beitrages.