Wenn der Verkehr am Rand der Altstadt erst einmal im Tunnel verschwunden ist, könnten die zentrumsnahen und dann von der Blechlawinen befreiten Bereiche ex-trem aufgewertet werden. Der oberirdische Straßenraum bliebe Anliegern, dem ÖPNV, vor allem aber Radlern und Fußgängern vorbehalten.

Laut Bürgermeister Eichstetter will Bayerns Verkehrsministerin Schreyer das Vorhaben unterstützen. Bereits für März ist ein Arbeitstermin in München anberaumt. Wie sich die Abgeordneten beim Tunnel positionieren.

Im Kampf gegen die Blechlawinen, die Füssen regelmäßig im Sommer die Luft abschnüren, setzen die Kommunalpolitiker auf die von Bürgern entwickelte Idee eines Stadttunnels (siehe Infokasten) . Bürgermeister Maximilian Eichstetter hat das Projekt inzwischen auch Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer bei einer digitalen Schalte vorstellen können. Der Termin verlief aus seiner Sicht „sehr positiv“: Die Ministerin „erkennt absolut die Notwendigkeit und unterstützt uns im weiteren Verlauf“, teilte er auf Nachfrage unserer Redaktion mit. Allerdings müsse letztendlich der Bund das Projekt im Verkehrswegeplan aufnehmen. Um alle weiteren Fragen auf Arbeitsebene abzuklären, ist laut Eichstetter bereits für März ein Termin im bayerischen Verkehrsministerium anberaumt worden.

Einstimmig hat das Füssener Kommunalparlament im Dezember die positive Machbarkeitsstudie für den Stadttunnel an den Freistaat Bayern weitergeleitet „mit der Bitte um vordringliche Einplanung in die künftigen Straßeninfrastrukturprojekte“ (unsere Zeitung berichtete) . Um die Finanzierung des wahrscheinlich 90 Millionen Euro teuren Projektes über den Bundesverkehrswegeplan zu erreichen, benötigt man aber Verbündete auf politischer Ebene. Dort müsse für den Tunnel geworben werden, hieß es in der Sitzung. Eine Aufforderung, die bei aktiven und früheren Abgeordneten angekommen ist – bei ihnen gibt es bereits die politische Rückendeckung.

Etwa bei der Landtagsabgeordneten Angelika Schorer (CSU). Sie persönlich wolle sich für jede sinnvolle Lösung des Füssener Verkehrsproblems einsetzen, versichert sie im Gespräch. „Ich hätte mir gewünscht, dass man das Ganze schon viel früher vorangebracht hätte“ –dazu wäre aber auch ein gemeinsamer Wille in der Region erforderlich, der bei früheren Anläufen für eine Verkehrslösung nicht erkennbar war.

Das weiß auch Bürgermeister Eichstetter. Er will deshalb ein Votum des Zweckverbandes Allgäuer Land zum Stadttunnel erreichen. Für die Abgeordnete Schorer wäre das ein wirkungsvolles Signal nach München und Berlin: Es wäre „enorm wichtig, wenn die Kommunen hier gemeinsam vorangehen“.

Doch werde man bei diesem Projekt einen langen Atem benötigen, sagt Schorer. Sobald Bayern der Idee eines Stadttunnels nähertritt, müssten – trotz der vorliegenden Machbarkeitsstudie – umfangreiche Untersuchungen erfolgen, etwa eine Kosten-Nutzen-Analyse. Geben auch die weiteren Untersuchungen grünes Licht für das Tunnel-Projekt, könne man es beim Bund anmelden. Für die Abgeordnete ist hier besonders wichtig, dass die Umfahrung Füssen im aktuellen Bundesverkehrswegeplan überhaupt aufgelistet ist: „So haben wir einen Fuß drinnen“. Andernfalls stünden die Chancen für den Tunnel eher bei Null.

Angelika Schorer

Stephan Stracke

Maria R. Zinnecker

Paul Wengert

Der Stadttunnel „schaut auf den ersten Blick durchaus attraktiv aus“, sagt auch der Bundestagsabgeordnete Stephan Stracke (CSU). Doch sei gleichzeitig ein „sehr ambitioniertes Projekt“ mit einem unterirdischen Kreisverkehr. In diesem Zusammenhang verweist Stracke darauf, dass die neue Ampel-Koalition in Berlin weniger Geld in den Neubau von Straßen stecken wolle. Da werde es sicher eine Herausforderung, ein solches Tunnelprojekt im neuen Bundesverkehrswegeplan zu verankern. Auf jeden Fall gebe es für Füssen „die Chance, sich dort zu positionieren“, ist der Abgeordnete überzeugt. Und das sei wichtig, denn: „Wir haben ja seit Jahrzehnten das Thema, wie wir Füssen vom Durchgangsverkehr entlasten können.“

Das ist auch Landrätin Maria Rita Zinnecker (CSU) bewusst: „Jede vernünftige Maßnahme, die die Verkehrssituation in Füssen verbessert, ist gut.“ Sie werde eine solche Maßnahme gerne politisch bei den verantwortlichen Stellen beim Freistaat beziehungsweise beim Bund unterstützen.

Auf Unterstützung aus einem anderen politischen Lager kann Bürgermeister Eichstetter ebenfalls hoffen. Der frühere Bürgermeister und SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Paul Wengert, selbst Mitglied der Ideenwerkstatt, will Kontakt aufnehmen mit Bundestagsabgeordneten seiner Partei, die für Verkehrsangelegenheiten zuständig sind. Das eilt aus Wengerts Sicht aber noch nicht. „Am wichtigsten ist es nun, dass die Staatsregierung die notwendigen Schritte einleitet, um das Projekt in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans zu bringen“, sagt Wengert. Denn das Vorschlagsrecht hierfür liege nun mal bei den Landesregierungen. „Erst dann kann Berlin aktiv werden und das Prüfverfahren beginnen.“

Deshalb hat Bürgermeister Eichstetter vor wenigen Tagen das Projekt der Verkehrsministerin Schreyer vorgestellt. Dieser Termin sei sehr „positiv verlaufen“ und habe gleich zu einem nächsten geführt, sagt der Rathaus-Chef: Im März werden sich Vertreter des Ministeriums, der Regierung von Schwaben, des Staatlichen Bauamts Kempten, der Bernard Gruppe mit den Tunnelplanern aus Salzburg sowie der Bürgermeister treffen. Hierbei sollen alle weiteren Fragen zum Tunnel-Projekt geklärt werden, „bevor es aufgearbeitet im Herbst nach Berlin weitergegeben wird“, teilt Eichstetter mit.

Die Vorgeschichte

Immer wieder – vor allem aber im Sommer – geht auf den Füssener Straßen so gut wie nichts mehr: Bis zu 24.000 Fahrzeuge quälen sich an manchen Tagen durchs Zentrum, eine schier endlose Blechschlange sorgt insbesondere in Füssen, aber auch in Richtung Schwangau für einen Dauerstau.

Inzwischen haben Generationen an Kommunalpolitikern versucht, die Situation durch den Bau einer Umgehungsstraße in Richtung Schwangau zu entschärfen. Sie alle scheiterten in den zurückliegenden Jahrzehnten. Und das Verkehrsproblem verschärfte sich in dieser Zeit.

Einige Füssener wollten das nicht länger akzeptieren. Sie bildeten 2020 eine Ideenwerkstatt , suchten intensiv nach der Lösung des Problems. Zur Gruppe gehören der ehemalige CSU-Chef Dr. Hans-Martin Beyer, der frühere SPD-Landtagspolitiker und Bürgermeister Dr. Paul Wengert sowie Unternehmer und Ingenieure, aber auch andere Fachleute. Ihr gemeinsames Ziel: Die Blechlawinen im Zentrum unter die Erde verbannen, zumal der Verkehr in einem Tunnel wegen des Wegfalls von fünf Kreuzungen und Konfliktstellen besser abfließen könnte. Vor allem aber würde ein solches Projekt der Stadtentwicklung einen gigantischen Schub geben: Denn oberirdisch könnten im Zuge der Verkehrsberuhigung neue Plätze mit einer deutlich besseren Aufenthaltsqualität entstehen, die zum Beispiel attraktive Einkaufslagen wären.

Diese von Bürgern entwickelte Idee wurde schließlich auch vom Stadtrat mitgetragen, der unter anderem Mittel für eine Machbarkeitsstudie locker machte. Ohnehin ein Tunnel-Befürworter ist Bürgermeister Maximilian Eichstetter: Eine entsprechende Lösung hatte er bereits als langfristiges Ziel in seinem Verkehrskonzept genannt.

Nun hat das Planungsbüro Bernard den insgesamt etwa 800 Meter langen Tunnel als realisierbar eingestuft. „Es ist technisch machbar , auch wenn es technisch herausfordernd ist“, fasste Bürgermeister Eichstetter im Stadtrat die Bewertungen der Experten zusammen.

Bericht: Heinz Sturm, AZ Füssen
Grafik: Ideenwerkstatt Füssen