Diese Privataufnahme wurde während des Pfingsthochwassers 1999 aufgenommen. Sie zeigt das Gebäude der Wasserwacht am Forggensee, das genauso unter Wasser steht wie die angrenzende Wiese links davon.

Hochwassergefahr: Anwohner befürchtet durch neues Wohngebiet gravierende Folgen fürs Weidach

Wird die Hochwassergefahr im Weidach durch das neue Wohngebiet verschärft? Nach Ansicht von Kasimir Schmutz lautet die Antwort ganz klar: Ja.

Seiner Meinung nach sei das Problem nicht gelöst, indem man das Erdgeschoss der Neubauten auf eine Höhe von 784 Meter über NN anhebt, so wie es der Stadtrat kürzlich beschlossen hatte (der Kreisbote berichtete).

Als Mitte November erstmals die Pläne für das neue Wohngebiet mit 55 Neubauten, das im Weidach zwischen dem AWO-Kindergarten und dem Hotel Sommer entstehen soll, öffentlich vorgestellt wurden, hatte Jürgen Doser (FWF) bereits gefordert beim Hochwasserschutz das schlimmste Szenario anzunehmen.„In der heutigen Zeit nicht vom HQ extrem auszugehen, wäre grob fahrlässig. Unwetterereignisse werden immer mehr“, hatte er seinerzeit gemeint. Ähnlich sah es die Füssener Stadtverwaltung. Die Folge: 784 mNN wurde als Mindesthöhenlage in den Bebauungsplan aufgenommen. „Das ist das Höchste was geht“, hatte Planer Franz Arnold in der Januarsitzung des Gremiums unterstrichen und auf Abstimmungen mit dem Landratsamt verwiesen. Auf dieser Höhe liege der Staudamm in Roßhaupten. „Wir sind einen Meter höher als das Hochwasser von 1999.“

Nur eine vermeintliche Sicherheit?

Für Weidachbewohner Kasimir Schmutz ist diese Festsetzung allerdings nur eine vermeintliche Sicherheit. „Das ist nur ein statistischer Wert. Das kann ein Mal in 100 Jahren vorkommen, aber genauso gut 100 Mal, fünf Mal oder drei Mal – das weiß niemand.“ Aufgrund des Klimawandels gehen Experten in Zukunft jedoch von mehr Extremwetterereignissen aus – und zu denen könne es auch in Füssen kommen, gibt Schmutz zu bedenken. Hinzu komme, dass der Forggensee zum Hochwasserschutz der Unterlieger am Lech und Donau diene. Dazu gehören unter anderem Städte wie Lechbruck, Landsberg oder Augsburg.

Aufgrund der Messdaten von behördlicher Seite, die Schmutz seit dem Hochwasser 1999 sammelt, kommt er zu dem Schluss: „Das funktioniert nicht so, wie sich das die Stadträte wünschen.“ Denn bei extremen Hochwasser kann das Wasser im Forggensee bis 784 mNN am Staudamm Roßhaupten aufgestaut werden, ohne dass die Standsicherheit des Damms gefährdet wird. Das bestätigte das Wasserwirtschaftsamt Kempten auf Nachfrage des Kreisbote.

„Am liebsten wäre es mir, wenn gar nicht gebaut  werden würde.“

Kasimir Schmutz, Bewohner des Weidach

Dabei hängt der Grundwasserstand im Weidach mit der Stauhöhe des Forggensees zusammen. Je höher der Seepegel, desto höher der Grundwasserstand. Und da die Grundwasserfließrichtung im Allgemeinen nach Norden zeigt, liegt der Grundwasserstand im Weidach sogar etwas über dem Seespiegel, wie das Wasserwirtschaftsamt erläuterte. Im schlimmsten Fall könnte der Grundwasserspiegel also bei 785 mNN liegen, meint Schmutz. „Dann stehen die neuen Gebäude unter Wasser.“ Und auch beim Oberflächenwasser schaue es ähnlich aus. „Beim Pfingsthochwasser 1999 betrug der Pegel Roßhaupten 782,92 mNN, das Wasser stand im Weidach aber bis 783,50 mNN“, erklärt der Füssener.

Doch das ist nicht seine einzige Sorge. Er befürchtet, dass die Geländeaufschüttungen und geplanten Tiefgaragen im neuen Wohngebiet das Ganze noch verschlimmern. Bei Hochwasser könnten sie wie ein Riegel wirken, durch den das Wasser weiter aufgestaut wird, so dass die Gebäude nördlich des Neubaugebiets schneller unter Wasser stehen. Gleiches nimmt er für das Grundwasser an.

Außerdem gibt Schmutz zu bedenken, dass durch die Bebauung wichtige Retentionsflächen, also Gebiete, die im Falle eines Hochwassers als Überflutungsflächen genutzt werden können, verloren gehen. „Das sind 50.000 Quadratmeter, die zugepflastert werden“, so Schmutz. „Ich wundere mich, dass die großen Umwelt- und Klimaschützer von den Grünen in der Stadtratsfraktion keine Bedenken wegen der Bebauung da unten haben.“

Bebauung ist möglich

Dass diese Gefahr durchaus im Bereich des Möglichen liegt, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. „Beim Hochwasser 1999 und 2005 waren es insgesamt 30 Häuser im Weidach, die Grundwasser im Keller hatten“, erinnert sich Schmutz. Zudem sei die Wiese, wo heute der neue Kindergarten steht, kniehoch überflutet gewesen. Für ihn steht deshalb fest: Bei dem Areal handelt es sich um ein Überschwemmungsgebiet. Und auf so einem sei gemäß eines Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs von April 2004 Ausweisungen von Baugebieten unzulässig – falls dem keine überwiegenden Gründe des Wohls der Allgemeinheit entgegen stehen.

Sehr hoher Schutz

Zu einem anderen Schluss kommt jedoch das Wasserwirtschaftsamt Kempten. Weil das Gebiet nicht von einem 100-jährlichen Hochwasser überschwemmt werde, sondern nur von extremen Hochwasserereignissen betroffen sei, sei es als Risikogebiet außerhalb von Überschwemmungsgebieten nach § 78b Wasserhaushaltsgesetz (WHG) einzustufen. „Dort ist die Ausweisung neuer Baugebiete grundsätzlich möglich“, erklärt Karl Schindele, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Kempten. „Im Bauleitverfahren haben wir dazu geraten, so zu bauen, dass die Gebäude auch bei Extremhochwasser nicht überschwemmt werden.“ Werde die 784 mNN-Vorgabe bei allen Gebäuden und sonstigen Anlagen sorgfältig beachtet, sei jedoch ein „sehr hoher Schutz gegen Hochwasser gegeben“, meint Schindele.

Grundsätzlich sollten die geänderten Abflussverhältnisse, wie bei jedem neuen Baugebiet, aber minimiert und durch Versickerungen des Niederschlagwassers im Baugebiet entgegengewirkt werden, fügt der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes hinzu. Laut Gesetz sind Retentionsräume aber nur bis zu einem 100-jährlichen Hochwasser (HQ 100) auszugleichen. „Da in dieses Überschwemmungsgebiet (HQ 100) nicht eingegriffen wird, ist ein Ausgleich nicht notwendig.“

Wie sich die Neubauten auf den Grundwasserspiegel im Weidach auswirken, müsse – wie bei den vergangenen Bauleitplanungen im Weidach auch – aber erst ein geotechnisches Gutachten klären, fügt Schindele hinzu. Denn: „Das Verhalten des Grundwassers ist immer komplex und hängt von den jeweiligen Bodenverhältnissen ab.“

Bedenken vorbringen

Kasimir Schmutz sieht jedoch noch eine andere Gefahr: Durch die Versiegelung des Bodens durch die Neubauten werde mehr Niederschlagswasser in den Stauraumkanal im Weidach eingeleitet. Steht die Pumpenanlage im Weidach bei Hochwasser still, könnte das Abwasser zurück in die älteren Gebäude des Stadtteils gedrückt werden, befürchtet er. Denn diese hätten im Gegensatz zu den Neubauten keine Rückschlagklappe oder Absperrschieber. Diese Vorrichtungen wurden erst in den neueren Bebauungsplänen für das Baugebiet Weidach zur Auflage gemacht. „Das bräuchte man nicht, wenn man die Gefahr nicht sähe“, erklärt Schmutz.

„Am liebsten wäre es mir, wenn gar nicht gebaut werden würde“, so der Weidacher weiter. Ihm sei jedoch vollkommen klar, dass er das neue Baugebiet nicht verhindern könne. Da aber viele Füssener im Weidach wohnen und davon betroffen sind, gehe es ihm darum, auf diese Probleme aufmerksam zu machen. Deshalb werde er seine Bedenken auch im Zuge der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplans O 75 Weidach Nordost 2, die derzeit stattfindet, zur Sprache bringen, kündigt Schmutz an.

Bericht: Katharina Knoll, KB Füssen
Foto: Kasimir Schmutz

Wir danken dem Kreisbote Füssen für die freundliche Überlassung des Beitrages.