Saniert und nachverdichtet sollen die städtischen Immobilien in der Ziegelwies werden. Wie das aussehen könnte, wurde im Zuge eines Ideen- und Realisierungswettbewerbs deutlich.

Anwohner haben Bedenken

Die Sieger des „Ideen- und Realisierungswettbewerbs Ziegelwies“ stehen fest: Den ersten Platz sicherten sich Kohlmayer Oberst Architekten aus Stuttgart. Deren Entwurf hat Architekt Jakob Oberpriller vergangene Woche dem Stadtrat vorgestellt. Obwohl Dr. Christoph Böhm (CSU) und Magnus Peresson den Siegerentwurf kritisierten, entschied das Gremium am Ende mehrheitlich mit den Siegern ins Verhandlungsverfahren einzutreten. Sollte das scheitern, wird mit allen Preisträgern verhandelt. 

Wie schaut die Zukunft der städtischen Immobilien in der Ziegelwies aus? Dieses Thema bewegt nicht nur die Mieter, sondern auch viele Anwohner. So war der Zuschauerraum bei der jüngsten Stadtratssitzung ungewöhnlich voll. Ihre Bedenken richteten die Anwesenden dann auch bei der Bürgerfragestunde an die Stadtverwaltung. So kritisierte ein Anwohner, dass es bisher keine Bürgerbeteiligung zu dem Projekt gegeben habe. Schließlich werde dadurch die Struktur des kleinen Ortsteils vollkommen verändert. „Die Zahl der Bewohner wird mehr als verdoppelt“, monierte er.

Ähnlich sah das eine andere Anwohnerin, die sich wunderte, warum man das Projekt ausgerechnet in der Ziegelwies realisieren möchte. Gerade dieser Stadtteil sei von Wald geprägt. Es gebe nur wenig versiegelte Flächen. Durch das Wohnprojekt würden sich die Nutzflächen verschlechtern und die Lebensqualität von Anwohnern und Tieren leiden.

Doch konkrete Pläne zu dem Projekt gibt es noch gar nicht, beschwichtigte Bürgermeister Maximilian Eichstetter (CSU). „Aktuell gab es noch keine Beteiligung der Nachbarn, weil wir noch gar nichts sagen konnten.“ Derzeit stehe nur der Sieger des Wettbewerbes fest. Außerdem sei klar: die bestehenden Häuser werden nicht abgerissen. „Alles andere werden die kommenden Monate ergeben.“

Hauptamtsleiter Peter Hartl fügte hinzu: „Bezahlbarer Wohnraum und Verdichtung entsteht nicht auf der freien Wiese.“ Das zu realisieren, sei in der Ziegelwies am einfachsten. Von allen städtischen Wohnungen hätte sie das größte Potential, auch was klimafreundliches Bauen angeht. Das bedeutet aber auch: „Der Komfort der vielen Freiräume wird nicht mehr sein.“ Daneben sei es unstrittig, dass die städtischen Immobilien in der Ziegelwies saniert werden müssen, fügte der Bürgermeister hinzu.

„Wenn man vom Klimaschutz spricht, spricht man auch vom Flächensparen“, ergänzte Architekt Oberpriller. „Das heißt: Nachverdichtung bei einer Steigerung der Wohnqualität.“ Und das sei dem Siegerentwurf gelungen. Von den 19 eingereichten Arbeiten war sich die Jury einig, dass es sich dabei um den harmonischsten und sinnvollsten Entwurf handle, erklärte Eichstetter. „Wichtig war, die Identität des Quartiers trotz Nachverdichtung zu erhalten. Das ist dem Entwurf auf sehr gute Weise gelungen“, meinte Oberpriller.

Dieser sieht vor, die Bestandshäuser zu ergänzen. So sollen die Gebäude mit den Hausnummern 8/10 und 16 analog ihrer Kubatur weitergebaut werden. „Der Vorteil ist, der Bestand kann dadurch barrierefrei erschlossen werden“, erklärte der Architekt. Außerdem sollen drei Neubauten in Holzbauweise mit vier Geschossen hinzukommen. Diese bleiben unter der Firsthöhe der bestehenden Häuser zurück und staffeln sich leicht entlang des Geländes nach unten. Ähnlich einem Laubengangtypus reihen sich die Wohnungen aneinander. Sitzgelegenheiten neben den Eingängen sollen die Kommunikation der alten und neuen Bewohner begünstigen. Als Ergänzung zu den Loggien wird eine schmale Balkonzone vor die Häuser gestellt. Sie dient außerdem als Rankhilfe für eine Fassadenbegrünung.

Höhere Qualität

Ob die Häuser am Ende aber auch wirklich so gebaut werden, steht noch gar nicht fest. „Es geht erst jetzt in den Entwurfsprozess. Die Dichte und Höhe (der Gebäude – Anmerk. der Red.) kann modifiziert werden“, so der Architekt. „Die Arbeit geht jetzt eigentlich erst los.“ Der Siegerentwurf sieht außerdem eine Tiefgarage mit 60 Stellplätzen unter den Neubauten vor. Die Freiflächen werden zwar kleiner, dafür wird ihre Aufenthaltsqualität höher, erläuterte Oberpriller. Die Pläne beinhalten unter anderem einen Pavillon als Gemeinschaftsraum, einen zentralen Außenraum zum Spielen und Toben und einen Retentionsteich mit Bäumen und Sitzgelegenheiten als Ort der Erholung. Da die Nutzgärten charakteristisch für die Siedlung sind, sollen sie in reduzierter Form als Gemeinschaftsgärten oder vermietbare Parzellen weitergeführt werden.

Zu massiv für Ensemble?

„Diese Massivität macht das einmalige Ensemble kaputt“, meinte jedoch Dr. Christoph Böhm (CSU). „Das Projekt wäre überall besser in der Stadt aufgehoben als hier.“ Die Ziegelwies sei in den zwanziger Jahren als Gartenstadt entstanden. Die Idee war, eine Stadt vor der Stadt zu errichten, wo es ein Wirtshaus und einen Einkaufsladen gibt und jeder Luft sowie einen Garten hat, erinnerte Böhm. Die Neubauten würden das jedoch zerstören. Ähnlich bewertete Magnus Peresson (UBL) die Pläne. „Die Idee der Gartenstadt war vor 100 Jahren absolut weitblickend. Das ist ein einmaliges Ensemble.“ Und das würde durch die viergeschossigen Neubauten verloren gehen. Außerdem stünden zwei Häuser dann so dicht nebeneinander, dass das eine im Winter gar keine Sonne mehr abbekommen würde.

Nachverdichten sei zwar richtig, aber auf diesem Aspekt sollte nicht die ganze Gewichtung liegen. „Es geht uns um die Optik. Und die stimmt einfach nicht. Wenn man das so baut, dann ist das schlecht.“ Im persönlich gefalle das Modell auf dem dritten Platz am besten. Deshalb appellierte er, die verschiedenen Modelle zu diskutieren und so einen Entwurf herauszubekommen, der alle zufrieden stellt. „Mir gehts darum, dass man was entwickelt.“

Eine hochkarätige Jury aus Fachleuten hätten die Entwürfe bewertet, meinte Oberpriller. Und diese war sich einig, dass es dem Sieger-Entwurf recht gut gelungen sein, den Charakter der Gartenstadt zu erhalten. Zudem gab es im Zuge des Wettbewerbs eine Verschattungssimulation, so dass die Teilnehmer sahen, wie die Sonne an den jeweiligen Tagen und Stunden steht, und entsprechend darauf reagieren konnten.

Peressons Andeutung, dass nur 19 schlechte Entwürfe bei dem Wettbewerb eingegangen seinen, widersprachen zudem Niko Schulte (Füssen-Land), Erich Nieberle (SPD) und Wolfgang Bader (Grüne) entschieden. „Da waren wirklich tolle Architekturbüros dabei. Die Vorgabe war verdichtetes Bauen.“ Da die jetzigen Häuser stehen bleiben sollen, sei der Platz für die Neubauten und auch die Tiefgarage schließlich begrenzt, meinte Schulte. „Alles, was wir wollten, wurde umgesetzt“, fand auch Nieberle. „Die Auslobung ist mit dem Vorschlag sehr gut umgesetzt worden.“ Unter den 19 Entwürfen seien sehr gute dabei gewesen.

Angst vor Auszug

Einen anderen Aspekt brachte Christine Fröhlich (FWF) in die Diskussion ein. Sie wusste, dass manche Mieter Angst haben, während der Sanierungsarbeiten ihre Wohnungen für längere Zeit verlassen zu müssen. Ob es dazu kommt, hänge vom Sanierungsumfang ab, erklärte Eichstetter. Bei kleineren Arbeiten sei es kein Problem in der Wohnung zu bleiben, stehe jedoch eine Kernsanierung an, sei das nahezu unmöglich. Welche Gebäude in welchem Umfang umgebaut werden müssen, werde sich aber erst in den nächsten Planungsphasen herausstellen. Wenn konkrete Entwürfe auf dem Tisch liegen, werde die Stadt auch die Anwohner darüber informieren, fügte Hartl hinzu. „Die Einbindung wird noch erfolgen. Wir werden uns Anregungen holen, aber man kann nicht alles berücksichtigen.“

Bericht & Foto: Katharina Knoll, Kreisbote Füssen

Wir danken dem Kreisbote Füssen für die freundliche Überlassung des Beitrages.